Fast 700 Publikationen zeugen vom reichen Forschungsertrag des
Augsburger SFB 484 "Kooperative Phänomene im Festkörper", an den jetzt
der TRR 80 "From Electronic Correlations to Functionality"
anschließt.
Augsburg/KPP - Bereits bei seiner zweiten Verlängerung im Jahr 2005 war
dem Augsburger Sonderforschungsbereich (SFB) 484 von einem international
besetzten Gutachtergremium bestätigt worden, er sei ein
"Spitzen-Sonderforschungsbereich in Deutschland". Jetzt, nach zehn Jahren,
konnten die beteiligen Physikerinnen und Physiker eine äußerst
erfolgreiche Abschlussbilanz ziehen. Das feierliche Ambiente hierzu bot am 20.
Januar 2010 der Goldene Saal des Augsburger Rathauses. Als Sprecher des SFB 484
ließ Prof. Dr. Dieter Vollhardt hier die Erfolgsgeschichte des von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit insgesamt 11,4 Mio. Euro
geförderten Projekts Revue passieren. Den Forschungsperspektiven auf dem
vom SFB 484 bearbeiteten Gebiet waren zwei Fachvorträge gewidmet, die der
ehemalige Augsburger Physiker und jetzige DFG-Vizepräsident Prof. Dr.
Konrad Samwer (Universität Göttingen) und Prof. Dr. Karsten Held
(Technische Universität Wien) vor rund 110 geladenen Gästen zur
Abschlussveranstaltung hielten.
Nach einer zweijährigen Planungsphase wurde der Sonderforschungsbereich
"Kooperative Phänomene im Festkörper:
Metall-Isolator-Übergänge und Ordnung mikroskopischer Freiheitsgrade"
1999 von acht der zehn festkörperphysikalisch bzw. festkörperchemisch
orientierten Lehrstühle des Instituts für Physik der Universität
Augsburg bei der DFG beantragt. Die DFG bewilligte das Projekt zum 1. Januar
2000 mit einem Fördervolumen von 2,1 Mio. Euro für insgesamt
zwölf Teilprojekte auf drei Jahre. Im Herbst 2002 schuf die in eine
einstimmige und nachdrückliche Befürwortung mündende Evaluation
die Voraussetzung für die Bewilligung einer zweiten, ebenfalls
dreijährigen Förderperiode; das Fördervolumen, nunmehr für
15 Teilprojekte, wurde mit 3,9 Mio. Euro fast verdoppelt. Weitere 5,4 Mio. Euro
wurden von der DFG schließlich für eine dritte und letzte, jetzt
vierjährige Periode bewilligt, nachdem das von der DFG bestellte
Gutachtergremium im Oktober 2005 alle 15 Teilprojekte hervorragend bewertet und
den SFB 484 als einen Spitzen-Sonderforschungsbereich mit hervorragender
wissenschaftlicher Kohärenz charakterisiert hatte.
Wie wirken die Freiheitsgrade der Elektronen und des Gitters
aufeinander?
Zentrales Thema des Sonderforschungsbereichs 484 war die Erforschung
kooperativer Phänomene in wechselwirkenden, quantenmechanischen
Vielteilchensystemen der Festkörperphysik. Ziel war es zu klären, wie
die Wechselwirkung und das kollektive Verhalten der mikroskopischen
Freiheitsgrade der Elektronen und des Gitters zu Ordnungsstrukturen und
Metall-Isolator-Übergängen führen können. Zum Studium
derartiger Ordnungszustände der Elektronen sind Übergangsmetalloxide
besonders geeignet. Mit neuesten experimentellen und theoretischen Methoden
wurden sowohl die mikroskopischen Grundlagen der genannten Phänomene
erforscht wie auch anwendungsorientierte Themen aufgegriffen. Dazu wurden
Forschungsaktivitäten auf festkörperphysikalischem und
materialwissenschaftlichem Gebiet gebündelt.
684 Publikationen spiegeln den wissenschaftlichen Ertrag
Der beeindruckende wissenschaftliche Ertrag der zehnjährigen
Forschungsarbeiten im SFB 484 spiegelt sich in insgesamt 684 Publikationen, 13
Prozent davon in weltweit renommierten Zeitschriften wie Physical Review Letters
(73), Nature/Nature Physics/Nature Materials (10), Science (3) und Reviews of
Modern Physics (2). Für die intensive Einbindung der SFB-Forschungen in die
scientific community sorgten nicht nur 229 Gastwissenschaftler sondern auch drei
große Workshops, in denen führende Forscher aus aller Welt zum Thema
"Ordering Phenomena in Transition Metal Oxides" in den Tagungszentren Kloster
Irsee (2001) und Wildbad Kreuth (2004) sowie in Augsburg (2008) vortrugen.
Bezeichnend für die herausragende Qualität der Forschung sind auch die
Auszeichnungen, die Physiker des SFB 484 in den letzten Jahren erhalten haben -
vor allem der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis für Prof. Dr. Jochen Mannhart
(2008) sowie der Europhysics Prize 2006 der European Physical Society und die
Max-Planck-Medaille der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (2010) für
den SFB-Sprecher Prof. Dr. Dieter Vollhardt.
Gezielte und erfolgreiche Förderung qualifizierter
Nachwuchsforscher
Ein besonderes Anliegen bei der Konzeption dieses Sonderforschungsbereichs und
bei seiner Realisierung sei die intensive Nachwuchsförderung gewesen,
betonte Professor Vollhardt in seiner Bilanz. Er verwies in diesem Zusammenhang
auf 95 Methoden-Seminare sowie auf zwei Nachwuchswissenschaftler-Workshops, und
darauf, dass man gezielt möglichst viele junge Forscherinnen und Forscher
in die Verantwortung für die Leitung von SFB-Teilprojekten eingebunden
habe. "Dass während der zehnjährigen SFB-Laufzeit zwölf junge
Teilprojektleiter aus Augsburg wegberufen wurden - die meisten auf Professuren
an Universitäten in Deutschland", so Vollhardt, "dürfen wir als Beleg
für die Effizienz unseres Förderungskonzepts deuten. Unser Konzept
dient auch anderen Sonderforschungsbereichen mittlerweile als Modell."
Vorbildlicher Einsatz der Kinderbetreuungsmittel
Vorreiterfunktion übernahm der SFB 484 auch mit Blick auf den effizienten
Einsatz von Mitteln für Kinderbetreuung und Öffentlichkeitsarbeit, die
die Deutsche Forschungsgemeinschaft seit nunmehr ca. fünf Jahren bei der
Bewilligung und Verlängerung von Sonderforschungsbereichen zweckbestimmt
zur Verfügung stellt. In Kooperation mit der gesamtuniversitären
Eltern-Kind-Initiative "Unibärchen" e. V., berichtete Vollhardt, sei es
gelungen, die Kinderbetreuungsmittel so effizient für die Entlastung
forschender Mütter und Väter einzusetzen, "dass man sogar bei der DFG
überrascht war, was man mit relativ geringem finanziellen Aufwand
diesbezüglich alles erreichen kann."
Hochspezialisierte Festkörperphysik: wunderschön ...
Davon, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft offenbar auch mit der
Kreativität beim Einsatz des SFB 484-Budgets für
Öffentlichkeitsarbeit hochzufrieden war, zeugt die letzte Ausgabe des
DFG-Magazins "forschung" (4/2009,
http://www.dfg.de/download/pdf/forschung_magazin/forschung_2009_04.pdf): Es
widmet nicht nur vier reich bebilderte Innen-, sondern sogar seine Titelseite
der vierteiligen Posterserie mit spektakulären Fotografien, die der
Wissenschaftsfotograf Bernd Müller in enger Zusammenarbeit mit
Wissenschaftlern in den Labors des SFB 484 erarbeitet hat. Für diese
Posterserie wurde Müller im Herbst vergangenen Jahres mit dem PUNKT-Preis
für Technikjournalismus der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften
(acatech) ausgezeichnet.
... und eben durchaus vermittelbar
Dass das, was sich hinter dem etwas sperrigen und nicht unmittelbar
zugänglichen Titel "Kooperative Phänomene im Festkörper:
Metall-Isolator-Übergänge und Ordnung mikroskopischer Freiheitsgrade"
verbirgt, nicht nur wunderschön, sondern auch der allgemeinen
Öffentlichkeit vermittelbar ist, haben die Augsburger SFB-Forscher mit der
Broschüre "Exotische Zustände im Festkörper" bewiesen, die sie
bereits 2007 zusammen mit dem Wissenschaftsjournalisten Thorsten Naeser erstellt
haben.
Auf den SFB 484 folgt der TRR 80
Der erfolgreiche Abschluss ihres Sonderforschungsbereichs 484 markiert für
die Physik der Universität Augsburg zugleich den Start in ein nicht minder
erfolgversprechendes Nachfolgeprojekt: Im November vergangenen Jahres hat die
DFG die Einrichtung eines Augsburg-München-Transregios "From Electronic
Correlations to Functionality" (TRR 80) beschlossen, bei dem Augsburg die
Sprecheruniversität ist (Sprecher: Professor Jochen Mannhart). Augsburger
Physiker kooperieren in diesem Verbund mit Kollegen der beiden Münchner
Universitäten sowie des MPI für Festkörperforschung in Stuttgart
und des Walther-Meißner-Instituts der Bayerischen Akademie der
Wissenschaften, um neuartige Materialien zu entwickeln, die die Grundlage
für die nächste Generation elektronischer Bauelemente legen sollen.
Die 18 Teilprojekte des TRR 80 werden von der DFG auf zunächst vier Jahre
mit 8 Mio. Euro gefördert, wobei die Option einer Verlängerung der
Förderung auf bis zu zwölf Jahre mit einem möglichen
Gesamtfördervolumen von 25 bis 30 Millionen Euro besteht.
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SFB 484-Homepage: http://www.physik.uni-augsburg.de/sfb484/
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